In diesem Text wird die Frage behandelt, ob die verfügbare Linux-Software zum Abspielen von DVDs eventuell illegal sein könnte.

DVD Filme unter Linux abspielen: Rechtliche Fragen

Die meisten DVD Filme sind mit einem Kopierschutzverfahren namens CSS (Content Scrambling System) kodiert. Um sie abzuspielen, ist zusätzlich zum eigentlichen DVD-Laufwerk noch eine Software erforderlich, die dieses Kopierschutzverfahren entschlüsselt. Unter Linux gab und gibt es einzelne Softwareprojekte (z.B. libdvdcss), die dieses zur Verfügung stellen, aber diese treffen auf erhebliche rechtliche Einwände gegen die Herstellung und Verbreitung derselben, siehe z.B. SuSEs Mitteilung dazu.

Leider gibt es unter Linux weiterhin fast keine offiziell erlaubte Möglichkeit, eine derartige Software zu bekommen. (Erste kommerzielle Anbieter siehe z.B. Heise-Meldung.) Trotzdem stellt sich die Frage, mit welcher Begründung die Herstellung und Verbreitung einer Abspiel-Software für Linux verboten sein soll. An dieser Stelle sollen die rechtlichen Zusammenhänge zum DVD-Kopierschutzverfahren CSS und zu Abspielsoftware unter Linux (z.B. libdvdcss) dargestellt werden.

Erst einmal ist die Frage nach "der Legalität von libdvdcss" schwierig zu beantworten, denn man hat es mit einer Menge unterschiedlicher Sachen zu tun. Einerseits ist die Lage unterschiedlich, je nachdem welches Land dieser Erde man betrachtet, und andererseits ist ebenfalls alles unterschiedlich, je nachdem welche Tätigkeit man genau betrachtet.

Bezüglich Länder: Da es hier um ein Programm im Internet geht, ist im Prinzip erstmal jede Rechtslage jedes im Internet vertretenden Landes dieser Erde von Interesse -- und schon merkt man, daß das natürlich totaler Käse ist. Also ist de fakto eben doch nur die Rechtslage in meinem eigenen Land von Interesse (also das deutsche Recht), und, weil das Internet eben von den USA dominiert wird, auch die USA-Rechtslage.

Bezüglich Tätigkeiten: Wenn es darum geht, was man mit einer libdvdcss alles machen kann, fällt mir folgendes ein: Man kann sie

  1. programmieren (herstellen)
  2. kostenlos im Internet anbieten, kostenpflichtig im Internet anbieten, kostenpflichtig im Laden auf CD/DVD anbieten (ist rechtlich aber wohl alles das gleiche, nämlich "anbieten")
  3. kostenlos herunterladen, käuflich erwerben (rechtlich wohl ebenfalls das gleiche, nämlich "erwerben")
  4. installieren
  5. verwenden

International

In den USA werden alle diese Punkte durch den DMCA geregelt, auch wenn zusätzlich noch Fragen des Urheberrechts und Patentrechts eine Rolle spielen. Eine kritische FAQ dazu ist hier. Demnach verbietet der DMCA also auf jedem Fall das Programmieren und Anbieten von sowas wie dvdcss, und dieses Verbot in den USA wird wohl auch für die deutsche Suse schon Grund genug sein, ihre Distribution gleich ohne dvdcss zu bauen. Mir ist aber schon gar nicht klar, ob sich dieses Verbot eigentlich auch auf das Erwerben und Verwenden bezieht.

Zu DVDs gab es ja den bekannten Gerichtsfall mit dem norwegischen Programmierer Jon Johansen, der (da in Norwegen) nach norwegischem Recht beurteilt wurde. Und da war glücklicherweise das Ergebnis (heise.de), daß der Programmierer freigesprochen wurde. In Norwegen ist also das Programmieren und Anwenden von dvdcss offensichtlich erlaubt, solange es privaten Zwecken dient (aber mit dem Anbieten wär ich auch wieder nicht so sicher).

Deutschland: Urheberrecht

In Deutschland gibt es seit September 2003 ein neues Urheberrecht, Heisemeldung, Telepolis-Artikel 1, Telepolis-Artikel 2, und wie gerade die beiden Telepolis-Artikel sagen, ist das in Deutschland dadurch keineswegs eindeutig. Der Gesetzestext verbietet folgendes: "Wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten Werkes (...) dürfen (...) nicht umgangen werden," Paragraph 95a, aber ist CSS überhaupt eine "wirksame" technische Maßnahme? Wenn man argumentiert, daß CSS eh längst geknackt ist (was es ja ist) und es deswegen auch nicht mehr als "wirksame" technische Maßnahme gesehen werden kann, dann ist auch die Umgehung desselben, also die Verwendung von libdvdcss, völlig legal. Natürlich erzählen die PR-Meldungen der Filmindustrie eine andere Argumentation, aber PR ist eben PR und sonst nichts. Erst wenn es ein Gerichtsurteil in dieser Sache gibt, ist das klarer, aber Telepolis sagt: "Mit Urteilen, an denen sich der Verbraucher orientieren kann, wird in frühestens drei Jahren gerechnet."

Darüber hinaus gibt es hier eh noch den Unterschied zwischen Straftaten und nur zivilrechtlichen Ansprüchen: "Zwar werden solche Privatkopien nicht strafbar, doch die jeweiligen Rechteinhaber können den Verbraucher zivilrechtlich auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch nehmen," (obige heise-Meldung) denn regelrecht "strafbar" sind diese Sachen nur, wenn man das zu kommerziellen Zwecken macht.

Suse in Deutschland bietet ihr Linux ja offensichtlich zu kommerziellen Zwecken an. Auch wenn es ohne fertiges Gerichtsurteil eigentlich noch nicht eindeutig klar ist, ob libdvdcss gegen die Bestimmungen des deutschen Urheberrechtsgesetz verstößt, ist es für Suse als Firma natürlich klüger, dieses nicht anzubieten... wenn ein Gericht dann CSS doch als "wirksame Maßnahme" ansehen sollte, wäre Suse platt.

Aber für mich als Privatanwender seh ich zum Einen, daß das Anwenden von libdvdcss erstmal in einer Grauzone liegt. Und zum anderen ist das größtmögliche Risiko, wenn dvdcss gerichtlich als Verstoß gegen das UrhRG bestätigt wird, daß der jeweilige Rechteinhaber gegen mich zivilrechtlich vorgehen kann, wenn er mitbekommt, daß ich auf meinem Computer zuhause seine technische Maßnahme umgangen habe, indem ich libdvdcss installiert und verwendet habe... na ja.

"Wirksame" Maßnahme?

Zu dem Punkt, wann eine "technische Maßnahme" (also CSS) denn im Sinne des UrhRG als "wirksam" angesehen werden kann: Es stellt sich ja die Frage, ob eine "technische Maßnahme" schon dann nicht nicht mehr wirksam sein könnte, sobald es einen Hack dafür gibt.

Dazu steht im erwähnten Telepolis-Artikel 2 mehr. Aber in der Tat: Diese Frage, so absurd sie zunächst auch scheinen mag, ist noch keineswegs von Juristen eindeutig beantwortbar. Schließlich gibt es ja nun wirklich nicht (mehr) nur einen Hack für CSS, sondern seit 1998 (?) den ersten und seitdem viele. Und wo ist die Grenze? <Ironie> Gilt ROT-13 auch als jvexfnzr Znffanuzr, pardon,"wirksame Maßnahme"? (Wichtiger Hinweis: Der Schutz des ebengenannten verschlüsselten Inhaltes darf gemäß §95a UrhRG nicht ohne meine Erlaubnis umgangen werden!) </Ironie> Also wo ist die Grenze nun? Bisher ist das ungeklärt.

Schlußfolgerung

Nochmal zur Eingangsfrage: Das deutsche Urheberrecht seit September 2003 verbietet "die Herstellung, die Verbreitung, (...) von Erzeugnissen (...), die (...) hauptsächlich hergestellt werden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen." Sofern CSS also den Begriff "wirksame Maßnahme" erfüllt: Ja, dann ist die Verbreitung und der Einsatz von libdvdcss in Deutschland verboten -- und diese Möglichkeit ist für Suse richtigerweise Grund genug, auf die Verbreitung zu verzichten. Sofern CSS diesen Begriff aber nicht erfüllt: Nein, dann ist die Verbreitung und Verwendung von libdvdcss nicht verboten. Man könnte also vielleicht davon reden, daß libdvdcss "potentiell illegal" sein könnte. Und solange es in Deutschland kein Gerichtsurteil dazu gibt, brauchen wir uns von der Filmindustrie das Wörtchen "potentiell" hier nicht wegdiskutieren zu lassen.

Welches von beiden also gilt, müssen wir in Ermangelung entsprechender Gerichtsurteile selber entscheiden.

Links

Passender Diskussions-Ort

Ist dieses LinuxWiki der richtige Ort für diesen Text? Der Textbeitrag wurde im Rahmen einer Diskussion zum Abspielen von DVDs auf Linux erstellt. Da es im deutschen Sprachraum anscheinend noch kein einfach aufzufindende Übersicht gab, hat der Autor seinen Text auch hierher kopiert.

DvdAbspielen (zuletzt geändert am 2007-12-23 22:47:08 durch localhost)